Immer mehr Schreckschusswaffen: Bürger rüsten auf

Immer mehr Schreckschusswaffen: Bürger rüsten auf

Man sollte sich einmal fragen, warum die Bürger sich immer mehr bewaffnen.

Pfefferspray oder Schreckschusswaffen verkaufen sich offenbar wie geschnitten Brot. Wer einen kleinen Waffenschein besitzt, darf Schreckschusswaffen mit sich tragen. Die Zahl der Besitzer eines solchen Scheins hat sich binnen kurzem vervielfacht.

Von einem Trend zu sprechen, mag übertrieben sein, und doch: Eine Art Selbstverteidigungsreflex scheint sich bei manchen Bürgern Bahn zu brechen. Nach den sexuellen Übergriffen gegen Frauen an Silvester 2015/2016 waren Medienberichten zufolge Pfeffersprays in Stuttgart zeitweise ausverkauft. Solche Übergriffe tragen zu Verunsicherung und Angst bei, das ist nachvollziehbar. Terroranschläge, unsichere politische Lage, Flüchtlingskrise, Einbrüche jeden Tag: Wer zu Furcht neigt oder sich auf solcherart Meldungen fokussiert, der gewinnt leicht den Eindruck, die Sicherheitslage war schon mal besser.

Schreckschusswaffen sind leicht zu haben

Waffenhändler führen keine Statistik darüber, aus welchen Gründen Kunden ihre Produkte kaufen. Der Wunsch, sich im Fall der Fälle wehren zu können, dürfte eine große Rolle spielen. Otto Normalverbraucher legt sich – anders als in Amerika – nicht gleich eine scharfe Waffe in den Schrank, zumal an eine solche nicht jeder ganz so leicht herankommt. Eine täuschend echt aussehende Schreckschusswaffe allerdings ist leicht zu haben.

Viele Anträge auf kleinen Waffenschein in kurzer Zeit

Wer eine solche außerhalb seiner Privaträume mit sich führen will, braucht einen kleinen Waffenschein. In Schorndorf, Winnenden und Waiblingen hat sich die Zahl der Anträge auf einen kleinen Waffenschein innerhalb kurzer Zeit vervielfacht (siehe Info). Inhaber eines solchen Scheins dürfen Schreckschusswaffen laut Birgit David von der Stadt Waiblingen nicht bei öffentlichen Veranstaltungen oder Versammlung mitführen – sonst aber schon.

„Es gehört nicht viel dazu, den Schein zu erhalten“

Um den kleinen Waffenschein zu erlangen, müssen Antragsteller ein paar Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein, dürfen keine Vorstrafen haben, nicht von Drogen oder Alkohol abhängig sein und müssen ihre sowohl körperliche als auch geistige Eignung nachweisen. Die Hürden sind niedrig; „Es gehört nicht viel dazu, den Schein zu erhalten“, sagt Polizei-Pressesprecher Rudolf Biehlmaier.

Meinhard: Wer solch einen Schein erhält, sei staatlich überprüft

Ingo Meinhard, Geschäftsführer des Verbands deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler begrüßt es, dass immer mehr kleine Waffenscheine ausgestellt werden. Seine Begründung: Wer solch einen Schein erhält, sei staatlich überprüft – „die Leute haben eine weiße Weste“. Die Intention, mittels einer Schreckschusswaffe in der Tasche die eigene Sicherheit erhöhen zu wollen, sieht Ingo Meinhard „ein Stück weit kritisch“, wie er sagt: „Angst ist ein schlechter Begleiter.“

Schreckschusswaffen sehen täuschend echt aus

Im Gegenteil kann eine Schreckschusswaffe zu höchst gefährlichen Situationen führen. Solche Waffen sehen täuschend echt aus, und selbst Polizisten können im Zweifel nicht sofort erkennen, womit jemand herumfuchtelt. Sie müssen davon ausgehen, dass es sich um eine Echtwaffe handelt. Das könnte böse enden.

16-Jähriger war am Bahnhof mit silberner Waffe unterwegs

Immer wieder sieht sich die Polizei mit Meldungen konfrontiert, es sei jemand mit einer Waffe gesichtet worden oder Anwohner hätten Schüsse gehört. Erst vor wenigen Tagen nahm die Bundespolizei einem 16-Jährigen eine Schreckschusswaffe am Stuttgarter Hauptbahnhof ab. Ein Zeuge hatte bemerkt, dass der Jugendliche mit einer silbernen Pistole bewaffnet war.

Online-Shops bietet Schreckschuss-Revolver an

Theoretisch darf ein 16-Jähriger keine solche Waffe haben. In der Praxis bedarf es wenig Mühe, sich mit derlei Gerät auszustatten. Eine Vielzahl von Online-Shops bietet ihre Dienste an. Schreckschuss-Revolver gibt’s dort für unter hundert Euro im Sonderangebot. Wer mindestens 18 ist, kann sich solch eine Waffe ohne Erlaubnis anschaffen.

Polizei: “Wir halten gar nichts davon”

„Schreckschuss“ suggeriert, dass ein Schuss aus einer solchen Waffe lediglich Schrecken verbreitet. Doch kann ein Schütze damit anderen schwere Verletzungen zufügen. Im Extremfall kann das Opfer, etwa wenn die Waffe direkt aufgesetzt wird, sogar tödliche Verletzungen erleiden, bestätigt Rudolf Biehlmaier. Die Polizei rät dringend davon ab, solche Waffen zu tragen: „Wir halten gar nichts davon.“ Ein „gewisser Wettlauf“ sei zu befürchten, wenn sich immer mehr Menschen mit Schreckschusswaffen ausstatten: „Das provoziert Eskalationen.“

Nicht aufrüsten, sondern weitsichtig agieren

Rudolf Biehlmaier schlägt in Konfliktsituationen andere Reaktionen vor, als eine Schreckschusspistole zu ziehen: weitsichtig agieren, Gefahrensituationen großräumig umgehen – und wenn es doch mal brisant wird und man sich wehren muss, dann lieber einen Gegenstand werfen, einen Angreifer zur Seite stoßen, laut schreien, andere auf sich aufmerksam machen, wegrennen: „Wir empfehlen, sich nicht aufzurüsten.“

Rasanter Anstieg der kleinen Waffenscheine:

Die Städte Waiblingen, Schorndorf und Winnenden – nur als Beispiele – verzeichnen einen sprunghaften Anstieg bei der Erteilung von kleinen Waffenscheinen, die zum Führen von Schreckschusswaffen berechtigen.

Waiblingen hat im Jahr 2013 gerade mal acht kleine Waffenscheine ausgestellt. Im Jahr 2016 waren es 70, dieses Jahr bereits zehn.

In Schorndorf gibt es derzeit 229 gültige kleine Waffenscheine. 2013 hat die Stadt acht solche Scheine vergeben, im vergangenen Jahr 46. Einer davon wurde widerrufen. Dieses Jahr sind in Schorndorf bereits elf kleine Waffenscheine beantragt worden, sechs wurden bisher ausgestellt.

Die Stadt Winnenden verzeichnete im Jahr 2013 lediglich zwei erteilte kleine Waffenscheine. 2016 waren es 59, dieses Jahr bisher zehn.

Quelle: ZVW

Foto: Habermann/ZVW

 

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