Obdachloser angezündet Gericht hebt Haftbefehle gegen fünf Angeklagte auf

Obdachloser angezündet Gericht hebt Haftbefehle gegen fünf Angeklagte auf

Zum ersten Mal huscht an diesem Freitag so etwas wie ein Lächeln über die Gesichter der fünf Angeklagten.

Anmerkung von uns dazu:

Die Begründungen sind wieder lächerlich!

  • Kriegserlebnisse in Damaskus
  • Tod des Vaters
  • Langeweile
  • Mutprobe
  • Gruppendynamik

Sie tragen alle Kopfhörer, mit denen sie die Stimme der Dolmetscherin in diesem Verfahren hören. Gerade hat sie vor dem Berliner Landgericht die jüngste Entscheidung der Vorsitzenden Richterin Regina Alex übersetzt.

„Die Kammer macht jetzt Nägel mit Köpfen“, hat Alex gesagt.

Und die Haftbefehle gegen die Angeklagten aufgehoben. Das hatten die Verteidiger zuvor beantragt. Jetzt sitzt nur noch der Hauptverdächtige Nour N. in Untersuchungshaft.

Alle sechs Angeklagten stammen aus Syrien und Libyen. Die meisten von ihnen kamen als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland. Sie saßen seit dem 27. Dezember vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, bis auf den mutmaßlichen Haupttäter haben sie sich selbst gestellt – als ihre Fotos aus der Überwachungskamera einer U-Bahn veröffentlicht wurden.

Vorwurf: Versuchter Mord

Der Hauptangeklagte Nour N. soll wegen gemeinschaftlichen begangenen Morde für vier Jahre in Haft. Das fordert der Staatsanwalt Martin Glage. Für die vier Mitangeklagten fordert er eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten. Bei den zwei weiteren Mitangeklagten plädiert Glage wegen Beihilfe zum versuchten Mord auf zwei Jahre auf Bewährung.

Die jungen Männer sollen versucht haben, einen schlafenden Obdachlosen anzuzünden und dabei billigend in Kauf genommen haben, dass der 37-Jährige in der „Folge selbst Feuer fangen und qualvoll verbrennen würde“. Der Hauptangeklagte Nour N. ist mit seinen 21 Jahren der älteste, aber zugleich auch der kleinste der Angeklagten.

Er soll nach einem spontan gefassten gemeinsamen Tatentschluss in der Nacht zum 25. Dezember 2016 kurz nach zwei Uhr auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs Schönleinstraße in Kreuzberg ein brennendes Taschentuch neben den Kopf eines schlafenden Obdachlosen gelegt habe.

Der 37-Jährige schlief zu dieser Zeit auf einer Bank. Die Flammen griffen auf die Plastiktüte über, auf der der Mann lag. Kurz darauf fing auch der Rucksack Feuer. Die Angeklagten überließen ihr Opfer seinem Schicksal und fuhren mit der nächsten U-Bahn davon. Passanten löschten das Feuer, der Obdachlose blieb unverletzt.

Es bleibt die Frage nach dem Warum

An diesem Freitag, dem siebten Verhandlungstag, werden neben den Plädoyers auch die letzten psychiatrischen Gutachten gehalten, die ergeben, dass alle sechs Angeklagten voll schuldfähig sind. Und das von ihnen in Zukunft vermutlich keine Gefahr mehr ausgehen wird. Sie zeigen aber auch, dass die jungen Männer durchaus Pläne für ihre Zukunft haben, dass sie die Schule besuchen wollen, wie sie es vor der Inhaftierung schon gemacht haben, dass sie Kfz-Mechaniker oder Tischler werden wollen.

Warum aber begingen sie dann diese furchtbare Tat?

Warum warf Nour N. das brennende Taschentuch in Richtung des Kopfes des schlafenden Mannes?

Nour N. hat von Drogen und Alkohol gesprochen, und davon, sich nicht mehr erinnern zu können. Staatsanwalt Glage hat erklärt, dass sich die Angeklagten offenbar einfach gelangweilt hätten.

Langeweile, Mutprobe oder Gruppendynamik?

Die beiden psychiatrischen Gutachterinnen gehen davon aus, dass die Tat Folge der Gruppendynamik gewesen sei. Jeder der Beteiligten habe sich in der zufällig zusammengefundenen Gruppe auf dem Bahnsteig letztlich vielleicht nur entscheiden müssen: „Mann oder Memme?“

Die Konseqenzen seien zweitrangig. Man triggere sich hoch. Sich im jugendlichen Alter von der Gruppe zu distanzieren, sei eher nicht die Norm. „Da macht man mit, um dabei zu sein.“ Als Jugendlicher sei man auch risikobereiter. „Ich schließe nicht aus, dass die Fluchterfahrung auch Einfluss auf die Risikobereitschaft hatte“, erklärt eine der beiden Sachverständigen.

Kriegserlebnisse in Damaskus

Glaubt man den Angaben der Angeklagten, haben sie alle Fluchterfahrung. Und wohl auch Kriegserfahrung. Bashar K. etwa, der zur Tatzeit erst 15 Jahre alt war, stammt aus Damaskus. Sein Vater war Schulleiter. So hat er es der Gutachterin und auch den Leuten von der Jugendgerichtshilfe erzählt. Er habe eine behütete Kindheit gehabt. Die Eltern seien sehr an der Entwicklung der Kinder interessiert gewesen. Als er in der neunten Klasse war, sei sein Vater inhaftiert worden. Vom Vater habe die Familie nie wieder etwas gehört.

Man habe ihnen nur den Pass gebracht und erklärt, der Vater sei verstorben. Bashar K. wurde nach eigenen Angaben von der Mutter nach Europa geschickt, weil die Einziehung zur Armee drohte. Über die Türkei, Griechenland und Österreich kam er im September 2015 nach Deutschland. Er ging nach Berlin, weil dort schon sein Bruder war. Zuletzt lebte Bashar K. auf der Straße. Der Tod des Vaters habe den Jugendlichen völlig aus der Bahn geworfen, heißt es.

Anwälte wollen Rechtsmediziner befragen

Die Vorsitzende Richterin hat den Verteidigern erklärt, dass sie im Zeitplan bleiben und am Dienstag ein Urteil sprechen wolle. Unklar ist, ob das klappt. Denn die Anwälte wollen einen Rechtsmediziner hören. Der soll bekunden, dass der auf einer Bank schlafende Mann durch das Feuer nicht derart hätte erfasst werden können, dass er hätte sterben könne.

Und Alexander Wendt, der Anwalt von Nour N., geht sogar noch einen Schritt weiter. Er sagt, dass der Rechtsmediziner erklären würde, dass der Obdachlose durch die Hitze wach geworden wäre. Keiner der Angeklagten habe damit gerechnet, dass sich das Feuer so weit ausbreiten würde, dass der Mann verbrennen würde.

Zudem sei den Angeklagten klar gewesen, dass die nächste U-Bahn in zwei Minuten kommen würde. Für einen versuchten Mord habe man eigentlich auch erwarten dürfen, dass ein bisschen mehr passiert sein müsse, so Wendt.

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