Vier Jahre Knast für Jessener wegen Vergewaltigung

Vier Jahre Knast für Jessener wegen Vergewaltigung

Die abschließende Beratung des Gerichts dauert lediglich zehn Minuten, die Urteilsbegründung nur fünf:

Das Landgericht Dessau hat den Mittvierziger Gunnar F. (alle Namen geändert) aus Jessen wegen Vergewaltigung zu knapp vier Jahren verurteilt. Bis zum Schluss hatte der Angeklagte seine Unschuld beteuert und nach dem Urteil das Gericht wissen lassen: „Sie zerstören mein Leben.“

Das Problem, mit dem sich die vierte Strafkammer auseinander zu setzen hatte, existiert in vielen Vergewaltigungsprozessen: Es steht Aussage gegen Aussage. Objektive Beweismittel gibt es nicht – Karina Z. war nach der von ihr behaupteten mehrstündigen Vergewaltigung durch F. und ihren mittlerweile verstorbenen Freund Martin A. im Sommer 2013 weder beim Arzt noch hat sie Anzeige erstattet. Eine Psychologin hatte an einem früheren Verhandlungstag am Landgericht dessau die Aussagen der Frau als glaubhaft eingestuft.

Ins Rollen kam die Sache Wochen später, als ein Bekannter von Karina Z. zur Polizei ging: Er hatte nach eigener Aussage 74 Seiten SMS von einem Handy abgetippt, das ihm von Z. überlassen worden war, nachdem dort ständig widerwärtige Nachrichten von ihrem Ex eintrafen, später auch mit Bezug zu einer Vergewaltigung. Gesendet wurden sie von dem alten Handy des Sohnes.

Doch weder die Ermittler noch das Gericht unterzogen sich der Mühe, die Herkunft der SMS zu beleuchten, von denen es nur Abschriften gab, während mehrere Zeugen beteuerten, A. sei unfähig gewesen, Textnachrichten zu schreiben. Für das Gericht galt, was die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer äußerte: Die SMS spielten plötzlich keine Rolle mehr.

F.’s Verteidiger sah das anders, nämlich als Teil einer Strategie beim Kampf um das Umgangsrecht mit den Kindern. Indirekt bezichtigte er damit Karina Z. der Urheberschaft. Dass aus der erfundenen Vergewaltigung und den SMS dazu ein Strafverfahren erwachsen könne, sei von ihr möglicherweise nicht beabsichtigt gewesen. Ein Umstand speziell belegt für den Anwalt die Unglaubwürdigkeit des Opfers.

Vom Richter befragt, ob sie von ihrem Ex schon einmal zum Geschlechtsverkehr zu dritt gezwungen worden sei, sagte sie ja, einmal und „irgendwann zwischen 2002 und 2012“. Gericht und Staatsanwältin stützten sich hingegen auf die eigens engagierte Gutachterin, die der Zeugin Glaubwürdigkeit bescheinigt hatte.

Am Ende steht ein (noch nicht rechtskräftiges) Urteil, das man für überzeugend halten kann, aber nicht muss, weil zum Beispiel die Belastungszeugin nur oberflächlich zum Tathergang befragt wurde. Die Richtigkeit des Urteils überprüfen zu wollen, ergibt angesichts der dürftigen Urteilsbegründung lediglich einen Zirkelschluss: Weil etwas geschehen ist, gibt es ein Urteil. Und dieses Urteil beweist, dass etwas geschehen sein muss.

Quelle: http://www.mz-web.de/wittenberg/urteil-vier-jahre-knast-fuer-jessener-wegen-vergewaltigung-24635984

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