
Coiffeur wegen sexueller Belästigung angeklagt
Eine 16-jährige Lehrtochter behauptet, von ihrem Chef belästigt worden zu sein. Vor Gericht erschien sie allerdings nicht.
Die Vorwürfe gegen einen heute 62-jährigen Zürcher Coiffeur-Unternehmer wiegen schwer. So soll sich der Schweizer Staatsangehörige italienischer Abstammung als Vorgesetzter an einer 16-jährigen Lehrtochter über mehrere Monate hinweg beinahe täglich sexuell vergangen haben.
Die Anklageschrift ging auf den Herbst 2013 zurück. Die damals 16-jährige Lehrtochter erstattete nach rund einem halben Jahr Strafanzeige und berichtete der Polizei, dass sie von ihrem Chef regelmässig sexuell belästigt worden sei. So schilderte sie wie der Ausbildner jeweils 20 bis 30 Sekunden lang ihre Brüste geknetet, sie zwischen den Beinen angefasst und ihr Klapse auf den Po gegeben habe.
Dabei habe er jeweils gestöhnt und Laute wie «ohhh» und «ahhh» von sich gegeben. Hinzu kamen schlüpfrige Sprüche, wie «du machst mich spitz» und spontane Küsse. Die Staatsanwaltschaft glaubte die Schilderungen und klagte nicht nur wegen mehrfacher sexuellen Belästigung, sondern auch wegen sexuellen Handlungen mit Abhängigen ein. Der Strafantrag lautete auf eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 90 Franken.
Geschädigte unentschuldigt nicht erschienen
Die erste Runde am Freitag ging allerdings eindeutig an den beschuldigten Figaro. So kam plötzlich Unruhe auf, als die Geschädigte als Auskunftsperson vor die Schranken treten sollte. So tauchte sie nicht auf. Obwohl ein Sicherheitsangestellter des Gerichts zuvor die Anwesenheit der jungen Privatklägerin gemeldet hatte.
Wenig später löste sich das Rätsel auf. So hatte der Security auch die beiden Vertreterinnen der Staatsanwaltschaft eingelassen und dabei eine der Frauen offensichtlich irrtümlich für die Privatklägerin gehalten. Da auch die anwesende Geschädigten-Anwältin ihre Klientin über Handy nicht erreichen konnte, stand fest: Das angebliche Opfer war unentschuldigt nicht erschienen.
Augenschein am Tatort
Der bekannte Verteidiger Valentin Landmann konnte damit den ersten wichtigen Punkt für sich verbuchen. Kurz darauf sicherte er sich den zweiten Pluspunkt und setzte sich mit seinem Antrag auf einen Augenschein am Tatort gegen seine Prozessgegner durch.
Landmann argumentierte nämlich, dass im Coiffeurgeschäft seines Klienten immer viel Betrieb geherrscht habe. Auch im so genannten Labor, wo die meisten angeblichen Übergriffe stattgefunden haben sollen. «Wie ist es dann möglich, dass niemand die angeblichen Grapschereien gesehen hat?», wollte Landmann wissen, Worauf das Gericht den Salon besichtigte.
«Ich bin moralisch zerstört»
Der Beschuldigte selber zeigte sich vor Gericht enttäuscht und erklärte: «Ich bin moralisch zerstört.» Während seiner Befragung kam heraus, dass er sich auf sein italienisches Naturell berief, wonach man Damen auch im Alltag Komplimente wie «bella» mache. Was auch eine beim Beschuldigten eingemietete Coiffeuse bestätigte.
Die über 70-jährige Frau hatte während der Untersuchung den Beschuldigten als typischen «Obermacho» bezeichnet und berichtet, dass sie von ihm einmal an ihrem Gesäss berührt worden sei. Eine Tatsache, die der Figaro nicht verneinte, aber auch festhielt, dass eine Dame dieses Semesters ja nur noch selten von der Männerwelt begehrt werde.
Das Gericht unterbrach die Verhandlung und will die vermisste Geschädigte erneut als Auskunftsperson aufbieten. Erst danach wird die spannende Verhandlung fortgesetzt.
Quelle: http://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Coiffeur-wegen-sexueller-Belaestigung-angeklagt-29427551