Kinder sollen Analsex in der Schule spielen
In NRW können Kinder schon früh im Unterricht mit Sadomasochismus oder Darkrooms konfrontiert werden. Einige Experten empfehlen sogar die Darstellung von Analsex als Theaterstück – inklusive Dildos.
Respekt vor Menschen jeder sexuellen Orientierung hatte sich Yvonne Gebauer schon auf die Fahne geschrieben, als das in bürgerlichen Kreisen noch etwas weniger anerkannt war. Schon vor acht Jahren, damals im Kölner Stadtrat, drängte die Freidemokratin darauf, schwulenfeindliche Einstellungen in Schulen zu bekämpfen. Gebauer unterstützte das Aufklärungsprojekt “Schule ohne Homophobie”. Diesem Anliegen blieb Gebauer treu. Mehrfach warnte die schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion seitdem, wer heute die Allgegenwart des Schimpfworts “Schwuchtel” auf Schulhöfen hinnehme, dürfe sich morgen nicht über vermehrtes “Schwulenticken”, also über mehr Gewalt gegen Schwule wundern.
Trotzdem sagt die Liberale nun, man könne es mit dem Kampf gegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung auch übertreiben. Ja, in den Schulen von NRW gebe es sexualpädagogische Auswüchse. Beispielsweise dürften schon Zwölfjährigen Sexualpraktiken wie Sadomasochismus, aber auch Phänomene wie der Darkroom nahegebracht werden (als “Darkroom” werden vornehmlich in der Schwulenszene Orte bezeichnet, an denen Sex in Gruppen praktiziert wird). Damit werde das für die Persönlichkeitsentwicklung unerlässliche Schamgefühl von Kindern verletzt, warnt Gebauer.
Mit dieser Kritik bezieht sie sich auf sexualpädagogische Lehrmaterialien, die unter dem Titel “Schule der Vielfalt” deutschlandweit Lehrern für den Unterricht angeboten werden. Diese von Sexualpädagogen und schwul-lesbischen Gruppen gestalteten Unterrichtsangebote bestehen aus Rollenspielen, Workshops und Lektüren. Sie sollen dem Ziel dienen, Respekt vor nicht heterosexuellen Orientierungen zu stärken. In NRW werden diese Angebote vom Schulministerium und von der Initiative “Schwul-lesbische Aufklärung” (“SchLAu”) empfohlen und gefördert. In die Kritik gerieten einige der dort unterbreiteten Unterrichtsideen zunächst außerhalb von NRW.
Seit 2014 formierte sich in Baden-Württemberg und Hamburg Protest der bürgerlichen Opposition gegen ganz ähnliche Vorschläge zur schulischen Sexualpädagogik. Die bürgerlichen Parteien in NRW dagegen verhielten sich still. Manche in ihren Reihen hofften, wie sie hinter vorgehaltener Hand einräumten, Rot-Grün werde angesichts der bundesweiten Diskussion schon dafür sorgen, dass die umstrittensten Unterrichtsideen in NRW keine Anwendung fänden – ohne dass CDU und FDP sich an dem heiklen Thema die Finger verbrennen müssten. Aber es kam anders. Rot-Grün distanzierte sich von keinem einzigen Unterrichtsangebot der “Schule der Vielfalt”. Und deshalb mag nun zumindest die FDP in NRW nicht mehr länger schweigen. Sie will sich baldmöglichst mit den Organisatoren von “SchLAu” zusammensetzen, um diese “für die Problematik zu sensibilisieren”, wie Gebauer sagt.
Begriffe sollen pantomimisch dargestellt werden
Umstritten ist insbesondere ein Projekt, das für Schüler ab der siebten Klasse empfohlen wird, also für Kinder ab 12 oder 13 Jahren. Unter dem Titel “Spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe und Sexualität” werden “Begriffe aus dem Bereich Liebe, Sexualität und Partnerschaft” aufgelistet, die von Schülern in der Klasse “pantomimisch dargestellt werden” sollen. Den Wert dieses Projekts sehen die Autoren darin, dass Schüler wichtige Begriffe “reflektieren und sprachfähig werden zu einem tabuisierten, jedoch sie selbst s
tark betreffenden Thema”. Als solche Themen, die Zwölfjährige “stark betreffen”, werden unter anderem genannt: “zu früh kommen”, “Darkroom”, “Orgasmus” oder “SM” – das ist die Abkürzung für Sadomasochismus.
Auf Anfrage räumte eine Sprecherin von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) ein, es gebe in der Tat ein Unterrichtsangebot mit diesem Titel. Aber: In der entsprechenden Handreichung fänden sich Begriffe wie Darkroom oder SM gar nicht. Offenbar kennt das Ministerium die von ihm unterstützten Unterrichtsmaterialien nicht zur Genüge. In Wirklichkeit findet man diese Begriffe sehr wohl auf der Website “Schule der Vielfalt”. Dazu muss man nur die Kurzvorstellung des Projekts anklicken und den darüber befindlichen Button “Arbeitsmaterialien”
Solche Unterrichtsangebote schössen über das gute Ziel der Antidiskriminierung hinaus, meint Gebauer. Den Respekt vor nicht heterosexuell empfindenden Menschen zu stärken sei wichtig. Aber das dürfe “nicht auf Kosten des Respekts vor dem kindlichen Schamgefühl gehen”. Um Toleranz zu fördern, müsse “man Zwölfjährige nicht vor versammelter Klasse einen Orgasmus oder Darkroom-Praktiken vorspielen lassen. Das Schamgefühl der Kinder muss gewahrt bleiben”, so Gebauer.
Etwas anderes sei es, Lehrer auf den Fall vorzubereiten, dass Schüler das Gespräch mit ihnen über solche Themen suchten. Eine solche Vorbereitung sei ratsam, damit Lehrer Schülern gegebenenfalls im Vier-Augen-Gespräch helfen könnten, wenn sie Rat bei ihnen suchten. Aber der richtige Ort sei “dann eben das vertrauliche Gespräch, nicht das Rollenspiel vor Publikum”.
Analsex als Theaterstück in der Schule
Das sehen Elisabeth Tuider und Stefan Timmermanns offenbar anders. Die beiden sind die Autoren des wissenschaftlichen Grundlagenbuchs “Sexualpädagogik der Vielfalt”. Es setzt sich zum Ziel, jungen Menschen “verschiedene Identitätsmöglichkeiten” und “neue Erlebnismöglichkeiten” aufzuzeigen. Zu dem Zweck empfiehlt das Lehrbuch Lehrern unter anderem, sie sollten Kinder ab 13 Jahren Praktiken wie Analsex als Theaterstück darstellen lassen. Angeraten wird auch, auf Unterrichtsmaterialien wie “Dildos” oder “Vaginalkugeln” zurückzugreifen, teils für Schüler ab 14 Jahren. Sexualpädagogisch hilfreich sei überdies ein Projekt, in dem Schüler einen “Puff für alle” bauten.
Darin sollten sich Menschen jeder sexuellen Vorliebe wohlfühlen, auch Sexpraktiken wie “der Blowjob” oder “Cunnilingus” sollten dort nicht fehlen.
Nun wird bislang nirgends in Deutschland nachgeprüft, wie häufig solche Empfehlungen von Lehrern tatsächlich aufgegriffen werden. Gleichwohl wurde das Buch in Hamburg von der Literaturliste des dortigen Lehrerinstituts gestrichen, als solche Details bekannt wurden. In NRW dagegen bewirbt die Schwul-lesbische Aufklärungsgruppe “SchLAu” das Buch nach wie vor, indem sie die Literaturtipps der Bildungsinitiative “Queerformat” zur Lektüre empfiehlt. Die wiederum rühmt das Werk mit den Worten, “das Autorenteam” habe “die besten sexualpädagogischen Methoden gesammelt”.
Auf Anfrage, ob dieses Werk wirklich empfehlenswert sei, erklärte sich das NRW-Schulministerium für unzuständig. Es verwies darauf, “die Auswahl der Unterrichtsmaterialien” obliege “den Lehrkräften in eigener Verantwortung”. FDP-Expertin Gebauer hingegen warnt davor, ein derart umstrittenes Fachbuch zu empfehlen. Unterstützt wird sie von Johannes-Wilhelm Rörig, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kindesmissbrauch. Er wendet ein, der Ansatz des Fachbuches sei “grenzüberschreitend” und daher “nicht akzeptabel”. Bei “Mädchen und Jungen, die Grenzüberschreitungen gewohnt und deshalb desensibilisiert” seien, hätten auf Kindesmissbrauch abzielende “Täter ein leichteres Spiel”.
Überraschend neutral verhielt sich einzig die NRW-CDU. Auf Anfrage erklärte CDU-Schulpolitikerin Petra Vogt, “zurzeit” könne sie “die Meinung der CDU nicht mitteilen”, die Partei habe “diese Themen noch nicht beraten”. Deutschlandweit wird darüber seit 2014 hitzig debattiert, in vielen Ländern engagiert sich die CDU neben FDP und AfD aufseiten der Skeptiker. Nur in NRW will die Union noch keinen Standpunkt gefunden haben.
Quelle: http://www.welt.de/regionales/nrw/article156317177/Kinder-sollen-Analsex-in-der-Schule-spielen.html