Verteidiger von Dean Martin L. sorgen für Paukenschlag – Paralleljustiz der Sinti-Gemeinde strafmildernd für Gruppenvergewaltiger?
Die Verteidigung des Angeklagten Dean Martin L. hat im Prozess um die Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet für einen Paukenschlag gesorgt.
An den jüngsten Prozesstagen berichteten die fünf Angeklagten, die in wechselnder Besetzung Schülerinnen in einen Wald gefahren und zum Sex gezwungen haben sollen, von einer Paralleljustiz durch Richter der Sinti-Gemeinde.
Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Verteidiger fordern Berücksichtigung von Sinti-Strafe
Die Verurteilung durch die Sinti-Richter müsse sich, so die Verteidiger Hans Reinhardt und Gönül Üstebay, strafmildernd auf das Urteil des Essener Landgerichts auswirken. Hierzu stellten die Anwälte von Dean Martin L. am Dienstag einen Antrag.
„Eine Strafe anderer Art ist strafmildernd zu berücksichtigen. Das gilt beispielsweise auch für eine Ausländereigenschaft, bei der eine Abschiebung die Folge einer Verurteilung ist“, erklärt Reinhardt gegenüber DER WESTEN.
Sein Mandant, der Angeklagte Dean Martin L., hatte von einer Ausgrenzung aus der weltweiten Sinti-Gemeinde berichtet (hier mehr dazu). „Wir werden für unsere Taten auch von der Gemeinde bestraft. Und das ist zehn Mal so schlimm wie alles, was wie hier durchmachen“, erklärte L.
„Wir akzeptieren die Regeln, die im deutschen Rechtsstaat gelten“, stellte L. klar. Aber es gebe unabhängig davon auch Rechtssprecher bei den Sinti, die ein eigenes Urteil fällen, an das sich alle Sinti hielten.
„Wir werden dann verstoßen. Ich darf nicht mehr zu meiner Mutter oder einem anderen Verwandten.“ Im schlimmsten Fall gelte die Strafe lebenslänglich.
Verurteilung durch Sinti-Gemeinde: Expertin soll Aussagen bestätigen
Laut Antrag auf Beweismittel-Aufnahme soll eine Professorin aus Wien, eine ausgewiesene Expertin für die ethische Gemeinde der Sinti, diese Paralleljustiz und ihre Strafmaße bestätigen.
„Eine Ausgrenzung aus der Gemeinde ist eine harte Strafe“, erklärt Reinhardt im Gespräch mit DER WESTEN seinen Antrag. „Und mir ist kein Urteil des Bundesgerichtshofs bekannt, dass gegen eine solche Strafmilderung spricht.“
Noch gebe es laut des ebenfalls Angeklagten Antonio H. kein Urteil der Sinti-Richter, dennoch fühle er sich bereits jetzt ausgestoßen.
Brisante Audiodatei zu Tat in Hotelzimmer aufgetaucht
Üstebay verlas in Abwesenheit ihres Kollegen Reinhardt zudem den weiteren Antrag, eine Audiodatei als Beweismittel aufzunehmen.
In der WhatsApp-Sprachnachricht, die DER WESTEN vorliegt, spricht ein Zeuge vor der Tat vom 18. Januar in einem Hotelzimmer. Im Hintergrund ist laut L.s Verteidigung das spätere Opfer zu hören, wie es die Angeklagten über ihre Gesäßbehaarung befragt.
„Diese intime Frage unterstützt den Verdacht, dass die Frau um die sexuellen Handlungen wusste, auf die der Aufenthalt im Hotelzimmer hinausläuft. Das spricht für einvernehmlichen Sex und gegen eine Vergewaltigung. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass die Frau es sich anschließend immer noch anders überlegen haben könnte“, so Reinhardt.
Dean Martin L.s Verteidigung rechnet am 30. Oktober, dem übernächsten Tag im Prozess um die Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet, mit einer Entscheidung des Gerichts über die Anträge.
https://www.derwesten.de/staedte/essen/gruppenvergewaltigungen-ruhrgebiet-dean-martin-l-paralleljustiz-sinti-id215519543.html
Foto: Daniel Sobolewski