„Darf ich Eis nach Scharia würzen, um Kinder zu töten?“
Dschihadistischer Dialog in Kinderschrift: Zwei junge Salafisten aus NRW haben selbst in der Haft noch ihre Mord- und Vergewaltigungsfantasien ausgetauscht. Auch mal verziert mit Herzchen und Blumen.
Yusuf T. war sichtlich genervt. „Muhammed lass das mit den Flaggen“, schrieb er an seinen Freund. Gemeint war wohl das auf Papier gekritzelte Emblem der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). „Wenn jemand diese Briefe sieht, können wir ein gutes Urteil vergessen. Muhammed du musst endlich verstehen, dass das kein Kindergarten mehr ist.“
Muhammed Ö. gelobte Besserung. „Ich habe deinen Brief erhalten und werde so Allah will deine Anweisungen halten“, schrieb er zurück. Dann folgten zwei Fragen. Ob es denn nach islamischem Recht erlaubt sei, die Mädchen von „Abtrünnigen“ zu vergewaltigen, wollte Ö. wissen, „Weil man ja Sex-Sklavinnen vergewaltigen darf.“
Zweite Frage: „Darf man gezielt auch Kinder töten?“ Es folgen Mordfantasien. „Zum Beispiel ich arbeite als Eismann mit meinem Eiswagen, und verkaufe Eis an viele Kinder. Dürfte ich nach Scharia das Eis mit Arsen oder Warfarin würzen oder besser Strychnin, um damit die Kinder zu töten? Anschließend mit dem Eiswagen ein Selbstmordattentat in einem Kindergarten machen?“
Radikalisierung der Schüler konnte nicht verhindert werden
Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden stießen bei den Ermittlungen zum Bombenanschlag auf eine salafistische Teenie-Clique, bestehend hauptsächlich aus minderjährigen Deutschtürken aus dem Ruhrgebiet. Sie sollen sich über eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Ansaar Al Khilafah Al Islamiyya“ ausgetauscht haben – auch über den Anschlag auf den Sikh-Tempel. Yusuf T. war wohl der sogenannte Emir, der Anführer der Zelle.
Und auch im Gefängnis scheinen die jungen Salafisten nicht von ihrem radikalen Gedankengut abzurücken. Das verdeutlicht der geheime Briefwechsel zwischen Yusuf T. und Muhammed Ö. aus der Justizvollzugsanstalt in Gelsenkirchen, über den am Mittwoch zuerst die „Bild“-Zeitung berichtet hatte.
Anfang August waren drei Briefe von Muhammed Ö. und die jeweiligen Antwortschreiben von Yusuf T. aufgetaucht und von der Polizei beschlagnahmt worden. Ein Mithäftling hatte die Post augenscheinlich im Gefängnis zwischen den beiden Salafisten hin- und hergeschmuggelt.
„Rede nicht mit der Polizei“
Die Briefe sind voller islamischer und dschihadistischer Floskeln, verfasst in kindlicher Handschrift. Mal in Deutsch, mal in Türkisch oder auch Arabisch. Daneben gemalte Herzchen, Blumen und Gesichter. Yusuf T. und Muhammed Ö. tauschen sich in den Briefen hauptsächlich über die bevorstehenden Gerichtsprozesse aus.
„Rede mit niemandem über diese Sache“, weist Yusuf T. seinen Freund an. „Sag du weißt und wusstest von nix! Rede nicht mit der Polizei. Rede nicht mal mit Seelsorge.“ Er selbst, so T., wolle vor Gericht als Einziger reden, keiner der anderen Angeklagten solle ihm widersprechen. „Ich will euch alle schnell draußen haben“, heißt es in einem anderen Brief. „Ich habe vieles für die Zukunft noch vor.“
In der kommenden Woche beginnt vor dem Essener Landgericht der Prozess gegen Yusuf T. und zwei weitere Hauptangeklagte. Die Verhandlung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da es sich bei den Beschuldigten um Jugendliche handelt. Muhammed Ö. wiederum wurde bereits im Oktober vom Amtsgericht Gelsenkirchen zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.
Das Berufungsverfahren gegen das Urteil läuft derzeit. Ob es am Ende nur eine Bewährungsstrafe für den 17-jährigen Salafisten geben wird, hängt womöglich auch vom Briefwechsel ab – und einer möglichen Fluchtgefahr. „Wir machen uns, wenn wir frei sind, direkt auf dem Weg zur Khilafah“, schrieb Muhammed Ö. Gemeint ist damit vermutlich das sogenannte Kalifat des IS in Syrien und im Irak.
Quelle: Welt