„In unseren Akten taucht der Name nicht auf“

„In unseren Akten taucht der Name nicht auf“

Vieles im Fall des Supermarkt-Attentäters ist unklar. Behörden hatten Hinweise, dass Ahmad A. psychisch instabil war. Haben sie den Fall unterschätzt? Und welche Rolle spielte in seinem Leben die Assahaba-Moschee in Barmbek?

Das Profilbild bei WhatsApp zeigt einen skeptisch dreinblickenden Mann, als Profilstatus hat Ahmad A. ein arabisches Gedicht gewählt, die deutsche Übersetzung lautet: Lieber ein schweres Leben mit Stolz als ein verwöhntes Leben ohne Ehre. Was diese Zeilen für den Attentäter von Barmbek für eine Bedeutung hatten, ist unklar, wie noch so vieles im Fall des 26-jährigen Asylbewerbers, der sich am vergangenen Freitag in einem Supermarkt ein Küchenmesser griff, einen Mann ermordete und fünf weitere Menschen schwer verletzt haben soll.

A. soll sich bei der Festnahme selbst als Terrorist bezeichnet haben. Das sieht der Generalbundesanwalt auch so – und hat die Ermittlungen an sich gezogen. Es liege „ein radikal-islamistischer Hintergrund der Tat nahe“, gebe aber keine Hinweise, dass A. als Mitglied des IS gehandelt habe oder Verbindungen zur Gruppe hatte. Die Karlsruher Ermittler berufen sich auf die Aussagen des Mannes: Der habe sich erst am Tag der Tat zu dem Attentat entschlossen, er habe als Märtyrer sterben wollen. Es bleiben weiter Fragen offen:

Haben die Behörden den Fall unterschätzt?

Der Asylantrag von Ahmad A. war abgelehnt, die Rückführung scheiterte daran, dass er noch keine gültigen Personalpapiere hatte. A. stand im Visier der Behörden, dennoch wurde der Attentäter nicht umfassend psychologisch begutachtet – obwohl Ahmad A. als Islamist galt und sich die Hinweise verdichteten, dass er psychisch instabil war. Am 10. Januar 2017 empfahl der Verfassungsschutz der zuständigen Polizei, im Fall A. den sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten und eine Art Gutachten zu erstellen. Das passierte nicht, „in unseren Akten taucht der Name nicht auf, wir kennen Herrn A. nicht“, sagte Harald Rösler, Leiter des zuständigen Bezirksamts Hamburg-Nord, der WELT.

Der sozialpsychiatrische Dienst, vor allem in der Jugendhilfe tätig, bietet Beratung und Hilfe bei seelischen Problemen an, Ärzte führen Gespräche mit den Betroffenen und erstellen einen Gesamtplan. Warum also hat die Polizei dieses Instrument nicht genutzt? Dazu gibt es bisher keine Antwort, die „interne Aufbereitung dauert noch an“, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Schon zwischen dem ersten Hinweis auf die Radikalisierung des Täters im April 2016 und dem Gespräch mit A. im November 2016 waren sieben lange Monate verstrichen – auch weil die Personalien von A. lange unklar waren.

Die Rolle der Assahaba-Moschee in Barmbek

Die Moschee liegt nur etwa 200 Meter vom Tatort entfernt, viele Muslime aus der Nachbarschaft kommen zum Freitagsgebet in die ehemalige Haspa-Filiale. Auch Ahmad A. Beim Verfassungsschutz heißt es, A. habe laut eigener Aussage dort gebetet, aber nicht am Koranunterricht teilgenommen. Auch ein Mitbewohner aus der Flüchtlingsunterkunft in Langenhorn hatte der WELT AM SONNTAG gesagt, A. habe immer mal wieder diese Moschee besucht, vor allem dann, wenn er emotional aufgewühlt gewesen sei oder traurig.

In seinem Zimmer im Flüchtlingsheim hing ein Kalender über die Gebetszeiten im Fastenmonat Ramadan, datiert auf das Jahr 2016, versehen mit dem Schriftzug der Assahaba-Moschee. Viele Moscheen verteilen im Fastenmonat solche Kalender. Badr Hassan ist amtierender Vorsitzender des Moscheevereins Assahaba e.V., er sagt, er habe den Mann nie in der Moschee gesehen, er kenne ihn nicht. „Seine Taten sind abscheulich und gegen die Werte des Islam. Sie haben nichts mit der Religion zu tun.“ Ausschließen könne er allerdings nicht, dass der Mann die Moschee vereinzelt besucht habe.

Vor zwei Jahren hatte die Moschee Probleme mit Extremisten: 2015 warnte der Verfassungsschutz öffentlich vor dem salafistischen Prediger Baher Ibrahim alias „Abu Abdullah“, der damals in der Moschee unterrichtete und Jugendliche zur Ausreise nach Syrien animiert haben soll. Nach einigem Hin und Her wurde der Prediger entlassen, die Moschee steht nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Doch die Geschichte der Moschee geht noch weiter: Mindestens drei der fünf Passanten, die den Attentäter stoppten, sind Mitglieder der Moscheegemeinde, Badr Hassan kennt die Männer, die oft täglich hier sind. Diesen Hamburger Muslimen ist es zu verdanken, dass der Attentäter nicht noch mehr Menschen angreifen konnte.

Quelle: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article167240333/In-unseren-Akten-taucht-der-Name-nicht-auf.html

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