Fall des U-Bahn-Treters facht Stimmung gegen Roma an

Fall des U-Bahn-Treters facht Stimmung gegen Roma an

Der Bulgare Svetoslav S. wurde festgenommen, weil er eine Frau die U-Bahn-Treppe hinuntergetreten haben soll. In seinem Heimatland kochen die Emotionen hoch. Er sei gar kein echter Bulgare, heißt es.

Der Fall des Berliner U-Bahn-Treters Svetoslav S. hat in seinem Herkunftsland Bulgarien heftige Emotionen ausgelöst. Viele Bulgaren fürchten jetzt, dass das Image ihres Landes darunter leiden wird. Dabei, so die Medien, sei der Täter gar kein „echter Bulgare“– sondern Roma. Damit werden tief sitzende Vorurteile geschürt.

„Alle diskutieren darüber, weil der Fall so ekelhaft ist“, sagt Borislav Denchev, ein junger Psychologe. Er steht in einer Straße in Varna und spricht aus, was viele hier über den U-Bahn-Treter von Berlin denken. „Das Problem, das wir damit haben, ist dies: Wir sind nicht so, unsere Gesellschaft und Kultur sind nicht so, aber wir fürchten, dass man uns jetzt im Ausland so sehen wird, als seien wir wie die.“ Also wie „die Roma“.

Bulgare ist nicht gleich Bulgare

Die Debatte wird deshalb so hitzig geführt, weil sie tief sitzende Vorurteile gegenüber Roma im Land bedient. Krassimir Kanew von der Menschenrechtsorganisation Helsinki Committee sieht ein Aufflammen rassistischer Ressentiments. „Natürlich kann es keine Entschuldigung für die Tat geben“, sagt er, „aber man muss die Lebensumstände des Täters in Betracht ziehen und darf nicht verallgemeinern auf die ethnische Gruppe der Roma.“ Genau das sei aber passiert. „Alle Medien berichten darüber, dass der Täter Roma war“, sagt Kanew.

Dass der Fall Ressentiments schürt, belegt Kanew mit einem anderen Ereignis: Im spanischen Mursia hatte ein bulgarischer Staatsbürger, kein Roma, vor wenigen Tagen einen jungen Spanier so schwer verprügelt, dass dieser nun im Koma liegt. Über diesen Fall werde in Bulgarien kaum berichtet. „Da sagen die Medien nichts über die ethnische Herkunft des Täters“, sagt er. „Warum auch?“ Wenn aber ein Roma kriminell wird, würde dies gleich Wellen schlagen.

Besonders schlimm findet Kanew Formulierungen, wie sie auf der Webseite Boulevardzeitung blitz.bg veröffentlicht worden sind. Dort stünde, man dürfe den U-Bahn-Treter von Berlin und seine Tat nicht mit Bulgarien in Verbindung bringen, weil der Täter kein echte Bulgare sei – sondern Roma. „Die Leserkommentare sind schrecklich“, sagt Kanew. „Da heißt es, die Roma seien Untermenschen, halb Affe, halb Mensch, Hitler habe seine Arbeit nicht gründlich genug getan und so weiter.“

Wie in anderen Ländern des früheren Ostblocks ist auch in Bulgarien der Begriff „Zigeunerkriminalität“ in der Öffentlichkeit allgegenwärtig. In einigen dieser Länder verwendeten die Behörden in der kommunistischen Zeit dieses Wort als technischen Begriff bei der Polizeiarbeit und führten darüber Statistiken, etwa in Ungarn und Tschechien. Heute sind solche Differenzierungen zwar offiziell verpönt, weil sie Ressentiments fördern. Inoffiziell werden Roma aber noch immer diskriminiert.

Roma werden häufiger aktenkundig

In Bulgarien werden keine ethnisch differenzierten Verbrechensstatistiken geführt, aber „als NGO können wir das und tun das auch“, sagt Kanew. Seine Organisation besuche alle Gefängnisse und befrage neue Häftlinge, auch zu ihrer Herkunft. Daraus ergebe sich, dass „Roma massiv überrepräsentiert sind bei aktenkundigen Straftaten“ und „mehr als 50 Prozent“ aller neuen Häftlinge in Bulgarien stellen. Auch gebe es „typische“ Straftaten bei Tätern, die sich als Roma bezeichnen, „vor allem serieller Diebstahl“.

Kanew betont aber, dass andere Vergehen, die von Nicht-Roma begangen werden, gar nicht aktenkundig und auch nicht bestraft werden. Vor allem Korruption werde kaum geahndet. „Und die kostet die Gesellschaft mehr als Taschendiebstahl.“

Quelle: Welt

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