Ehe könnte sexuelle Übergriffe auf Minderjährige legalisieren
In der Türkei ist eine heftige Diskussion um die Aufwertung der Kinderehe entbrannt. Wer sein minderjähriges Opfer geheiratet hat, könnte straffrei davonkommen.
In der Türkei könnten sexuelle Übergriffe auf Minderjährige unter bestimmten Umständen straffrei bleiben. Ein Gesetzentwurf der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, in dem es heißt, dass Täter einer Strafe entgehen sollten, wenn sie ihre Opfer heiraten, hat heftige Diskussionnen ausgelöst. Die Tat müsse aber ohne “Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang” erfolgt sein.
Der Abgeordnete Özgür Özel von der oppositionellen Partei CHP schrieb auf Twitter, die islamisch-konservative Partei wolle Vergewaltiger schonen. Ruhat Sena Akşener von Amnesty International Türkei, twitterte empört: “Sexuelle Aggression ohne Zwang” gebe es nicht.
3.000 betroffene Familien
Auch Regierungschef Binali Yıldırım sprach von “völlig falschen Beschuldigungen”. Er erinnerte daran, dass unter der jetzigen Regierung die Strafen für Vergewaltigungen verschärft worden seien.
Das vorgeschlagene Gesetz soll auf Taten angewendet werden, die zwischen 2005 und Mittwoch dieser Woche begangen wurden. Es gehe um Akte, die mit Zustimmung der Familien und der Minderjährigen und in Unkenntnis der genauen Rechtslage erfolgt seien, sagte Justizminister Bekir Bozdag.
Anwälte äußerten die Sorge, mit dem Gesetzentwurf werde die Kinderehe in der Türkei salonfähig gemacht. Das Mindestalter für legales Heiraten liegt hier bei 17 Jahren – mit Zustimmung der Eltern. Besonders im Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.
Das türkische Verfassungsgericht hatte im Juli ein Gesetz aufgehoben, das sexuelle Handlungen mit Kindern unter 15 Jahren als “sexuellen Missbrauch” wertet. Das Gericht wies das Parlament an, binnen sechs Monaten ein neues Gesetz auszuarbeiten. Es monierte insbesondere, dass in dem bisherigen Gesetz nicht zwischen Jugendlichen und Kleinkindern unterschieden wurde.
Quelle: Zeit
Foto: Adem Altan/AFP/Getty Images