Aus sexuellem Missbrauch wird öffentliches Ärgernis

Aus sexuellem Missbrauch wird öffentliches Ärgernis

Das Landgericht Ravensburg schwächt ein Urteil gegen einen Mann ab, der im Weingartener Stadtgarten vor Kindern onaniert haben soll.

Ja, der Mann hat im Weingartener Stadtgarten öffentlich onaniert und das auch in Gegenwart von Kindern. Aber sexueller Missbrauch von Kindern ist das nicht gewesen. Dieses Urteil hat am Dienstag das Landgericht Ravensburg gegen einen Mann gefällt, der im Dezember 2015 vom Amtsgericht Ravensburg wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden war. Das Landgericht hat das drastische Urteil gegen den 35-Jährigen in einer Berufungsverhandlung nun abgeschwächt: Er wurde wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verurteilt.

Insgesamt 750 Euro muss der Mann aus Syrien nun berappen. Das Urteil, das Richter Rolf-Peter Schall nun fällte, ist damit deutlich milder als die sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung plus Geldstrafe, die das Amtsgericht verhängt hatte. Um zu dem Urteil zu kommen, waren am Landgericht zwei Termine notwendig. Nach einer ersten Verhandlung vor rund zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt, darunter auch der beiden Kinder, wegen denen das ursprüngliche Urteil zustande gekommen war.

„Eindeutige Onanierbewegungen“

Doch worum ging es? Dem Mann wird vorgeworfen, im August 2013 im Stadtgarten vor zwei Müttern und deren Kindern zunächst anzügliche Gesten gemacht und anschließend, halb von einem Baum verdeckt, onaniert zu haben. Der Angeklagte hatte immer behauptet, er habe lediglich pinkeln müssen. Die beiden Frauen wiederholten nun auch im Berufungsprozess ihre Vorwürfe. Von „perversen Blicken“ berichtete eine der Mütter, beide wollen dann eindeutige „Onanierbewegungen“ des 35-Jährigen gesehen haben – auch wenn keine der Damen sein Geschlechtsteil erkennen konnte, weil sich der Mann „raffiniert hinter den Baum gestellt hatte“, wie es eine der Zeuginnen aussagte. „Aber man hat eindeutig gesehen, was der da macht.“

Die Kinder hätten das wahrgenommen und Fragen danach gestellt, was der Mann hinter dem Baum da mache. „Böse Dinge“, hätten ihnen ihre Mütter erklärt. In der Verhandlung am Amtsgericht im Dezember 2015 hatte genau dieser Umstand zur Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs geführt: Der Mann habe in Kauf genommen, dass die Kinder seine Aktionen beobachten können und trotzdem bewusst weitergemacht.

Dass das Landgericht dieses Urteil nun gekippt hat, lag auch maßgeblich an den Aussagen der beiden Kinder, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wurden. Wie Verteidiger Richard Glaubach im Plädoyer erklärte, konnten sich beide Kinder nicht daran erinnern und auch nicht einordnen, was der 35-Jährige hinter dem Baum angestellt hatte. Eine dritte Zeugin, die den unappetitlichen Vorgang aus der Ferne gesehen hatte, will laut Polizeiprotokoll zwar den Penis, nicht aber Onanierbewegungen gesehen haben.

Staatsanwaltschaft bleibt hart

Richard Glaubach wollte einen Freispruch seines Mandanten vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erreichen. Staatsanwalt Wolfgang Angster dagegen blieb im Plädoyer dabei: Der 35-Jährige habe absichtlich eine exhibitionistische Handlung begangen und dies in vollem Bewusstsein darüber, dass Kinder ihn dabei sehen können. Für den Staatsanwalt war maßgeblich, dass sich der Mann für seine Aktion eine Kinderspielplatz und nicht einen Platz „irgendwo im Wald“ ausgesucht hatte. Angster beantragte, die Berufung abzuweisen.

Richter Rolf-Peter Schall stellte in der Urteilsbegründung klar, warum das Gericht zu einem anderen Ergebnis gekommen war. Zwar habe der Mann eindeutig sein Genital entblößt und onaniert. Von bloßem Pinkeln, wie vom Angeklagten behauptet, könne keine Rede sein. Doch sei es dem Mann nach Ansicht des Gerichts dabei darum gegangen, bei den beiden Frauen Aufmerksamkeit zu erregen und nicht bei den Kindern. Dafür spreche, dass der 35-Jährige sich hinter einen Baum gestellt und den Blickkontakt zu den Frauen gesucht habe. Weil keine der beiden Damen das Geschlechtsteil habe sehen können, sei das Ganze auch nicht als Exhibitionismus zu werten. Obendrein gingen Schall und die Schöffen davon aus, dass sich der in Memmingen lebende Angeklagte den Spielplatz im Stadtgarten nicht bewusst für seine Aktion ausgesucht hatte. So endete der Prozess mit dem Urteilsspruch wegen Erregnung öffentlichen Ärgernisses.

Quelle: schwäbische

Foto: Nicolai Kapitz

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