Jugendkriminalität in Würzburg: Hoher Anteil von Flüchtlingen

Jugendkriminalität in Würzburg: Hoher Anteil von Flüchtlingen

Bericht vom 05.10.2019

Seit über einem Jahr ist die Polizei in Würzburg hinter jugendlichen Banden her. 13 bis 23-Jährige stehlen Handtaschen, rauben Wohnungen aus, bedrohen und verletzen Passanten.

Von vier Gruppen hat die Polizei Haupttäter erwischt: Zwölf wurden im Winter, weitere acht im Sommer inhaftiert. Insgesamt ordnet die Polizei rund 100 Jugendliche und Heranwachsende den kriminellen Gruppen zu, gut ein Drittel davon sind Flüchtlinge.

Dieses neue Phänomen bedeutet laut Polizei und Stadt Würzburg aber nicht, dass in Unterfranken ausländische Familienclans wie in Berlin aktiv sind. “Von einer bandenmäßigen Organisationsstruktur der Gruppen kann, basierend auf den vorliegenden Ermittlungserkenntnissen, nicht gesprochen werden”, sagt Michael Zimmer vom Polizeipräsidium Unterfranken gegenüber dieser Redaktion. Auch das Würzburger Sozialreferat kennt keine Straßenbanden, die Abzeichen oder geordnete Hierarchien haben.

Dennoch ist die Liste an Diebstählen, Körperverletzungen, Hehlereien der vier Gruppen lang: Über 200 Straften sollen die 95 Jugendlichen begangen haben. 36 mutmaßliche Täter sind Migranten, darunter 21 Minderjährige.

“Menschen aus einem schwierigen sozialem Umfeld werden schneller kriminell, das ist nicht überraschend”

Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber

Auch in der Statistik des vergangenen Jahres – die Straftaten der vier Gruppen nicht enthält – sind Flüchtlinge überrepräsentiert. Knapp ein Viertel aller Würzburger Jugendliche, gegen die 2018 wegen einer Straftat ermittelt wurde, waren Flüchtlinge.

In Schweinfurt richteten sich vergangenes Jahr fast die Hälfte von 280 Jugendstrafverfahren gegen Täter mit Migrationshintergrund. Laut Sozialreferent Jürgen Montag passt diese Zahl zum Anteil von eingewanderten Menschen und deren Nachkommen in Schweinfurt. “Genaue Zahlen gibt es nicht, aber ich schätze, 45 Prozent der Schweinfurter haben Migrationshintergrund.” Neben Menschen, die aus der Türkei stammen sind das vor allem Syrer. Kriminelle junge Flüchtlinge fallen laut Montag in Schweinfurt statistisch nicht auf.

In Würzburg ist das anders. Rund 500 Flüchtlinge zwischen 14 und 21 Jahre leben nach Angaben der Regierung von Unterfranken in der Stadt. Das sind knapp vier Prozent der Würzburger Jugendlichen. Gleichzeitig sind in 22 Prozent der Jugendstrafverfahren Flüchtlinge die Tatverdächtigen. Zeigen diese Zahlen, dass Integration hier nicht gelingt?

“Man darf die Zahlen nicht klein reden, aber auch nicht dramatisieren”, sagt Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber. So wisse man aus Erfahrungen mit sogenannten Russlanddeutschen in den 1990er Jahren, dass gerade junge Männer auf Startschwierigkeiten in der fremden Kultur teilweise mit gewalttätigem, kriminellem Verhalten reagieren, sich aber später gut integriert haben.

 Hilfe für junge Migranten beim Übergang in die Selbstständigkeit

“Menschen aus einem schwierigen sozialem Umfeld werden schneller kriminell, das ist nicht überraschend”, sagt Düber im Hinblick auf junge Migranten, die oft alleine und nach traumatischer Flucht gekommen sind. Andere Ursachen seien der Mangel an Beschäftigung und fehlende Perspektiven. “Wer nicht arbeiten darf und damit rechnen muss, bald abgeschoben zu werden, hat wenig zu verlieren”, erläutert die Sozialreferentin. “Wir bieten diesen Jugendlichen und ihren Familien Hilfe an. Alle nehmen diese aber nicht an.”

Als Prävention gibt es in Würzburger Jugendzentren zum Beispiel Freizeitangebote für Geflüchtete oder  Wohngruppen, in denen volljährigen Migranten beim Übergang in die Selbstständigkeit unterstützt werden. Als Hilfe für junge Migranten, die straffällig geworden sind, kümmern sich Sozialarbeiter der kommunalen Jugendgerichtshilfe um Jobs oder Therapien.

Mehrjährige Haftstrafe für Raubüberfall

Aufgrund der neuen Gruppenkriminalität hat die Stadt Würzburg zwei zusätzliche Stellen im Jugendschutz und bei den Streetworkern geschaffen. Außerdem bringen sich Vertreter von Stadt, Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfeeinrichtungen regelmäßig auf den aktuellen Stand.

Die juristische Verfolgung der Straftäter dieser Gruppen ist laut Staatsanwaltschaft Würzburg im vollen Gange. 70 Straftaten, die im Winter drei Jugendgruppen in der Innenstadt und am Alten Hafen begangen haben, seien etwa zur Hälfte aufgeklärt. Beim Rest laufen noch Ermittlungen. Bei einigen wenige Fällen wurden diese wegen Mangels an Beweisen eingestellt. Einige Täter standen schon vor Gericht – zum Beispiel zwei 16-Jährige und ein 18-Jähriger, die im Januar in Würzburg ein Ehepaar überfallen, geschlagen und beraubt hatten. Im August wurden sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Jugendkriminalität
In Bayern ist die Anzahl von Tatverdächtigen zwischen 15 und 20 Jahren laut Polizeistatistik seit 2009 von rund 63 000 auf 48 000 gesunken. Den Tiefstand erreichte die Zahl 2015. In Unterfranken ist die Entwicklung ähnlich: Die Zahl an jugendlichen Tatverdächtigen sank laut Polizei von 2822 (2011) auf 2141 (2015). Seitdem stieg sie wieder leicht auf 2353 im vergangenen Jahr. Darunter waren 17 Prozent nichtdeutsche Jugendliche. Die häufigsten Straftaten waren in den vergangenen beiden Jahren mit etwa 15 Prozent Rauschgiftdelikte, danach folgten einfache Diebstähle und Körperverletzungen.
In Würzburg begingen 2018 mit 664 weniger Jugendliche Straftaten als 2009 (745). Am geringsten war die Zahl 2014 mit 564. Im Jahr 2015 waren es 686. Seitdem gehen die Straftaten wieder zurück. 2018 betreute die städtische Jugendhilfe 772 mutmaßliche Straftäter zwischen 15 und 20 Jahren. 22 Prozent davon waren Flüchtlinge. In Schweinfurt hatten 2018 von 280 mutmaßlichen Tätern 133 Migrationshintergrund. 2016 gab es in Schweinfurt 185 Jugendstrafverfahren, 2013 waren es 239.
Ausländerrechtliche Verstöße sind in den Fallzahlen nicht enthalten.

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