Der Dieb, der eine Hundertjährige bestahl

Der Dieb, der eine Hundertjährige bestahl

Das Amtsgericht Frankfurt verhandelt gegen einen Räuber, der sich auf Senioren als Opfer spezialisiert hat.

Die Anklage, die  vor dem Amtsgericht verlesen wird, lässt gewisse Schlüsse auf Mohamed A.s Beuteschema zu.

Am 9. Mai 2017 stibitzt er der 88 Jahre alten Liselotte S. die Tasche samt Portemonnaie von ihrem Rollator. Beute: 180 Euro. Am 8. Juni stiehlt er dem schwerbehinderten 84-jährigen Alfred G. in einem Supermarkt die Börse, er erbeutet 100 Euro und eine EC-Karte, mit der er 1000 Euro abhebt. Am 19. Juni bietet er dem 59 Jahre alten Dieter S. Hilfe beim Tragen der Einkäufe an, auch hier greift er sich das Portemonnaie samt 310 Euro aus der Hosentasche des schwer Gehbehinderten. Krönender Abschluss der Anklage ist dann eine Tat aus dem Mai: In einer Bäckerei auf der Berger Straße stiehlt A. die Brieftasche der 100 Jahre alten Sophie K. mit 60 Euro in bar. Bei einer Bank um die Ecke hebt er mit deren EC-Karte 2000 Euro ab, im Schuhladen nebenan kauft er per Karte zwei Paar Designerturnschuhe und ein Handtäschchen.

Das Bundeszentralregister des 43 Jahre alten Mohamed A. weist 16 Eintragungen auf, fast alle einschlägig. Er bestiehlt alte Menschen. Immer und immer wieder. Der Richter will wissen warum. „Ich suche mir die Schwachen aus, weil ich selbst schwach bin“, antwortet der voll geständige A.

Seit 2012, sagt eine Polizistin im Zeugenstand, arbeite sie in einer Einheit, die gegen Verbrechen an alten Menschen kämpft. In dieser Zeit habe sie den Angeklagten dreimal festgenommen und dreimal seine Wohnung durchsucht. A. sei erfinderisch, sagt sie. Mal trete er als Einkaufs-Sherpa auf, mal als Mainova-Mitarbeiter, mal als klassischer Taschendieb. Eines aber bleibe immer gleich: Bei A.s Opfern handele es sich „durchweg um alte oder sehr gebrechliche Menschen“.

„Ich habe mich sowas von dumm gefühlt“, sagt die bestohlene Liselotte S. als Zeugin. „Ich habe mir immer eingebildet: Auf Enkeltricks und so was fällst du nicht rein! Und dann hängt der mir einfach die Tasche vom Rollator ab, und ich merke nichts.“ Eine Entschuldigung A.s will sie ebenso wenig annehmen wie die anderen Opfer. Wie die anderen will sie etwas ganz anderes: „Ich will mein Geld zurück!“

A.: Taten habe im Drogenwahn begangen

Aber A. hat kein Geld. Er hat eine Frau, die ihn zum Prozess begleitet, und drei kleine Kinder, die er selten sieht, weil er meist im Gefängnis sitzt.

Bis 2010 ist er stets mit Geld- und Bewährungsstrafen davongekommen. Seitdem kassiert er immer öfter Freiheitsstrafen, die er aber frühzeitig abbricht – entweder via erfolgreichem Gnadenersuch oder bewilligtem Therapieplatz.

Seit er 19 ist, nimmt A. nach eigenen Angaben Kokain, angeblich anfangs um die „eigene Schüchternheit“ zu therapieren. Alle Taten habe er im Drogenwahn begangen, was ja schon der Kauf des Handtäschchens bewiese: „Wäre ich bei klarem Verstand gewesen, hätte ich einen Fernseher gekauft.“ Und eigentlich empfinde er wahrhaftig immer wieder den Wunsch, alten Menschen beim Tragen ihrer Einkäufe zu helfen. Aber spätestens im Treppenhaus nehme ihn dann wieder der „Suchtdruck“ in den Schwitzkasten, „und dann passiert es eben so. Ich kann in diesem Moment nicht anders.“ Letzte Zweifel an seiner tiefen Zerknirschtheit räumt A. am Prozessende mit seinem letzten Wort aus: „Mir tun alle Menschen sehr leid, vor allem meine Familie“, sagt er mit tränenerstickter Stimme.

Das Amtsgericht verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren.

Ein paar auf Bewährung widerrufene Strafen dürften dazukommen und die Haftzeit theoretisch um einiges verlängern.

Quelle: http://www.fr.de/rhein-main/kriminalitaet/justiz-der-dieb-der-eine-hundertjaehrige-bestahl-a-1411830

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