Verurteilter Messerstecher nach Justizpanne auf freiem Fuß
Ein Messerstecher wird in einem Totschlagsprozess 2016 zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt. Jetzt kann der 30-Jährige das Gefängnis vorerst verlassen – wegen eines Formfehlers am Landgericht München.
Nach einer Justizpanne am Landgericht München darf ein im März 2016 zu mehr als acht Jahren Haft verurteilter Straftäter vorerst das Gefängnis verlassen.
Der Prozess wegen versuchten Totschlags gegen Erkan G., der drei Männer in einer Bar niedergestochen hatte, muss wiederholt werden, berichtet die „tz“.
Bis dahin sei der 30-Jährige auf freiem Fuß.
„Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt“, zitiert das Blatt einen Justizsprecher. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil gegen den Messerstecher aufgehoben.
Grund dafür ist ein Formfehler des Gerichts:
Demnach gab es in der Ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts, vor der auch der Prozess gegen Erkan G. verhandelt wurde, in den Jahren 2012, 2014 und im ersten Quartal 2015 keinen gültigen Geschäftsverteilungsplan.
Der Richter zog den Prozess trotz Rüge durch
Darin ist festgelegt, welcher Richter für welche Fälle zuständig ist. Dies soll eine willkürliche Besetzung der Strafprozesse verhindern. In der Kammer war es laut „tz“ allerdings offenbar üblich, die Geschäftsverteilung mündlich festzulegen. Aus Gewohnheit, weil die Richter seit Jahren dieselben Zuständigkeiten haben.
Doch der BGH fordert für den Geschäftsverteilungsplan eine „verfassungsrechtlich gebotene Schriftform“. Das sei „versehentlich unterblieben“, so der BGH und kippte das Urteil gegen Erkan G.
Dessen Anwalt Adam Ahmed hatte den Formfehler bereits zu Prozessbeginn im September 2015 gerügt. Der zuständige Richter ließ den Prozess dennoch nicht platzen. Nach dem Urteil ging der Verteidiger in Revision. Mit Erfolg.
Weitere Straftäter könnten dem Beispiel folgen
Der BGH hat den Fall zurück an das Landgericht verwiesen. Dort soll Erkan G. im Winter an der Zweiten Strafkammer erneut der Prozess gemacht werden.
Der Fall könnte weite Kreise ziehen. Zumindest theoretisch:
Wenn andere Straftäter, die ebenfalls im fraglichen Zeitraum von der Kammer verurteilt worden sind, ihr Urteil anfechten. Dafür müssten sie sich um ein Wiederaufnahmeverfahren bemühen. Die Hürden dafür allerdings sind hoch.