Polizei verärgert über mildes Urteil gegen Libanesen-Clan

Polizei verärgert über mildes Urteil gegen Libanesen-Clan

„Das war nur Glück, dass nicht mehr passiert ist“ – resümierte Stefan Joseph, Richter im Landgericht Hannover, über den Gewaltausbruch am 14. Januar 2015. Unter anderem durch Pflastersteinwürfe und Pfefferspray wurden 24 Polizisten und sechs Unbeteiligte verletzt.

Auslöser war der Sturz eines 26 Jahre alten mutmaßlichen Räubers bei einem Fluchtversuch aus dem siebten Stock des Amtsgerichts. Mitglieder seiner Familie randalierten anschließend vor dem Gericht und vor dem Krankenhaus, wo der Mann wenig später starb.

Nun wurde der Prozess beendet: Trotz der brutalen Eskalation erhielten sechs Mitglieder der Großfamilie, Mhallami-Kurden aus dem Libanon, lediglich Bewährungsstrafen. Die fünf Männer und eine Frau wurden am Mittwoch unter anderem wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs zu Strafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Beamte „sehr überrascht und verärgert“

Bei der Polizei kam das Urteil nicht gut an. Dietmar Schilff, niedersächsischer Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte FOCUS Online, dass vor allem die in Hameln eingesetzten Beamten „sehr überrascht und verärgert“ seien. Sie seien nicht einmal für Aussagen vor Gericht geladen worden.

Das gelte auch für den Rest der Polizei: „Es erzeugt ein unwohles Bauchgrimmen und großes Kopfschütteln, denn alle Kräfte im Einsatz erwarten vom Staat Schutz und Unterstützung“, sagt Schilff. „Wenn wir diejenigen schützen wollen, die für unsere Sicherheit sorgen, muss klar sein: Wer Polizeibeamte angreift, greift den Staat an – und muss entsprechende Konsequenzen fürchten. Dabei ist es vollkommen egal, aus welchem Milieu die Täter stammen.“

In Niedersachsen wird immer wieder gegen M-Kurden ermittelt

Immer wieder kommt es zu Gewalt zwischen Vertretern arabischer Großfamilien und der Polizei. Die Mhallamiye-Kurden, die während des libanesischen Bürgerkriegs (1975 bis 1990) unter anderem nach Deutschland flohen, leben teils in Parallelgesellschaften, haben eine eigene Gerichtsbarkeit und lehnen die Staatsgewalt ab. Sie werden vielfach mit kriminellen Geschäften wie Waffenhandel, Drogengeschäften und Menschenhandel in Verbindung gebracht.

In Niedersachsen wird immer wieder gegen M-Kurden ermittelt, auch einige der Angeklagten sind für die Justiz keine Unbekannten. Entsprechend aufmerksam blickte auch die Öffentlichkeit auf den Umgang der Justiz mit den Tumulten in Hameln.

Vor dem Urteil hatte der Clan-Experte Ralph Ghadban im Gespräch mit FOCUS Online vor einem Kuschelurteil gegen die Angeklagten gewarnt. Nur die volle Härte des Gesetzes würde dazu führen, dass kriminelle Mitglieder der Großfamilien den Rechtsstaat respektieren und anerkennen würden.

Gewalttaten gegen Polizisten steigen jährlich an

Doch Richter Joseph vom Landgericht Hannover ging auf die besonderen Umstände des Tattags und die belastende Situation für die Angehörigen ein: Einige von ihnen wurden Augenzeugen des Todessturzes. Joseph betonte allerdings auch: „Das darf aber nicht dazu führen, dass man Polizisten und Sanitäter angreift. Das ist gelebte Ablehnung dieses Staats, was da zum Ausdruck kommt, deswegen sitzen sie hier.“

Im Vorfeld war ein Deal zwischen der Justiz und den Vertretern der Angeklagten ausgehandelt worden. Dass dann ein Urteil auf Bewährung herauskommt und die betroffenen Beamten nicht zu Wort kommen, kann GdP-Mann Schilff dennoch nicht verstehen und weist auf eine beängstigende Entwicklung hin: Gewalttaten gegen Polizisten steigen jährlich an.

“Sonst ist es ein Rohrkrepierer”

Erst Ende April hatte der Bundestag deshalb einen Strafrechtsparagrafen zum verbesserten Schutz der Einsatzkräfte beschlossen. Davor gab es besondere Strafandrohungen nur für Angriffe während Vollstreckungshandlungen wie etwa Festnahmen, nun während jeder Diensthandlung.

In diesem Kontext findet Schilff das Urteil von Hameln besonders problematisch: „Die Einführung des Paragraphen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das funktioniert aber nur, wenn Gerichte das neue Recht auch anwenden. Sonst ist es ein Rohrkrepierer und Gewalttäter nehmen es nicht ernst.“

Quelle: http://www.focus.de/politik/deutschland/unwohles-bauchgrimmen-und-grosses-kopfschuetteln-polizei-veraergert-ueber-softes-urteil-von-hameln-gegen-libanesen-clan_id_7151966.html

Foto: dpa

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