Hilferuf der Lehrer: Offener Brief beschreibt Verzweiflung und Chaos in Frankfurts Schulen

Hilferuf der Lehrer: Offener Brief beschreibt Verzweiflung und Chaos in Frankfurts Schulen

Für Lehrer wird die Belastung durch die unaufhörliche Zuwanderung nach Deutschland zur Zerreißprobe. In Frankfurts Schulen hat sich die Lage bereits drastisch zugespitzt. Rektoren und Konrektoren bitten den zuständigen hessischen Kultusminister Ralph Alexander Lorz in einem offenen Brief dringend um Hilfe.

Ende Januar haben 57 Rektoren sowie 18 Konrektoren aus dem Bereich des Staatlichen Schulamtes einen Brief an den zuständigen hessischen Kultusminister Ralph Alexander Lorz veröffentlicht, der mehr über die harten Realitäten in der „Vielfalt“-Stadt Frankfurt aussagt als alle Politikerreden zusammen.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lorz,

an der zentralen Dienstveranstaltung am 28.11.2016 in Frankfurt haben die Vertreter des Hessischen Kultusministeriums den Schulleiterinnen und Schulleitern aus der Rhein-Main-Region den „Schulischen Integrationsplan“ vorgestellt, das „Konzept zur weiteren Unterstützung der Schulen bei der Integration der Seiteneinsteiger“.

Die beabsichtigte Unterstützung seitens des HKM (Hessisches Kultusministerium) angesichts dieser gewichtigen Herausforderung für die Schulen begrüßen wir.

Mit unserem heutigen Brief möchten wir allerdings Ihren Blick auf die besondere Situation der Grundschulen im Rhein-Main-Gebiet, im Besonderen in Frankfurt, lenken.

Die komplexen Herausforderungen sind seit mehr als 30 Jahren für die Frankfurter Schulen, für die Frankfurter Lehrerinnen und Lehrer, für die Frankfurter Schülerinnen und Schüler und deren Familien und für die Frankfurter Schulleitungen Alltag:

In vielen Stadtteilen haben mehr als 80% der SuS einen Migrationshintergrund; es gab immer wieder Zuwanderungswellen von Arbeitsmigranten aus der ganzen Welt und Zuwanderungen im Zuge von Krieg und Vertreibung rund um den Erdball.

In Frankfurter Grundschulen sitzen Kinder aus Vietnam neben Kindern aus Eritrea, Kinder aus Bolivien neben Kindern aus Nigeria, Kinder aus Rumänien neben Kindern aus Syrien.

Viele dieser Kinder, obwohl zum großen Teil in Frankfurt geboren, kommen ohne ausreichende Deutschkenntnisse in die Schule; dazu kommen Probleme des familiären Umfeldes wie Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Bildungsferne, Familienzerfall, zunehmende Radikalisierung in Teilen der islamischen Religionszugehörigkeit bis hin zu Erfahrungen mit Drogen und Gewalt.

Viele Aufgaben, die traditionell von den Elternhäusern erwartet wurden wie Ernährung, Umgangsformen, medizinische Vorsorge und den Unterricht flankierende Maßnahmen wie Üben für Tests und Bereithaltung von Schulmaterial mussten zunehmend in die Grundschulen verlagert werden, damit sie überhaupt noch wahrgenommen werden.

Für Frankfurter Lehrerinnen und Lehrer bedeutet die Begleitung und Unterstützung von Kindern mit solchen Hintergründen eine kaum zu bewältigende Arbeitsbelastung sowohl in zeitlicher als auch psychischer Dimension.

Diesem Tatbestand wurde bislang seitens des HKM nie ausreichend Rechnung getragen!

Zu diesen schon existierenden und stetig zunehmenden Belastungen – sowieso schon kurz vor dem Kollaps – sind die Herausforderungen durch die letzte Flüchtlingswelle hinzugekommen:

Bitte verstehen Sie uns nicht falsch: Wir fühlen uns verpflichtet, den geflüchteten Kindern und ihren Familien unterstützend zur Seite zu stehen beim Ankommen und der Integration in Deutschland, wir möchten diese Aufgabe „gut“ machen für die Kinder und die Familien!

Zu der aktuellen Flüchtlingsproblematik kamen in den letzten Jahren insgesamt große Veränderungsprozesse auf die Grundschulen zu wie Ganztagsschule, Inklusion und kompetenzorientierter Unterricht, dazu Querschnittsaufgaben wie Erziehung zur Nachhaltigkeit, Demokratielernen etc.

Diese Veränderungen, die in der Sache richtig sind, sind ohne ausreichende Ressourcen, ohne verlässliche Leitlinien, weitgehend den einzelnen Schulen zur jeweiligen Ausgestaltung überlassen worden. Bezüglich des inklusiven Unterrichts zeigen die Zahlen aus Ihrem Haus für ganz Hessen eine zunehmende Verschlechterung der Versorgung:

Im Schuljahr 2011/2012 standen 1526 Förderschullehrerstellen für die inklusive Beschulung von ca. 5000 Schülerinnen und Schülern in der Primar- und Sekundarstufe zur Verfügung, im Schuljahr 2015/2016 für ca. 7500 Schülerinnen und Schüler 1996 Förderschullehrkraftstellen.

Der Zuwachs an Lehrkräften hat also mit der steigenden Zahl der inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler nicht Schritt gehalten.

Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass in den Klassen 1 und 2 ein sonderpädagogischer Förderbedarf noch gar nicht festgestellt wird, weil den Schulen durch die VO in Fällen vermuteten Förderbedarfs im Bereich Lernen und/oder emotional-sozialen Förderbedarfs untersagt wurde, für diese Gruppe Förderausschüsse einzurichten. Mögliche inklusiv zu beschulende Kinder aus dieser Gruppe tauchen deshalb in der Statistik noch gar nicht auf, sie können lediglich durch „Vorbeugende Maßnahmen“ unterstützt werden.

Für die Stadt Frankfurt stellt sich diese Situation verschärft dar: Nahezu alle Kindergärten arbeiten inklusiv und Eltern erheben die berechtigte Forderung nach Fortsetzung der inklusiven Maßnahmen auch in der Grundschulzeit. Zurzeit werden in Frankfurter Grundschulen ca. 550 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv beschult.

Für die Lehrerinnen und Lehrer in den Frankfurter Grundschulen bedeutet das kaum zu leistende Anforderungen:

Eine Flut von Dokumentationen wie Förderpläne, Berichte, Auskünfte etc., eine Flut von unabdingbaren Gesprächen mit Eltern, Institutionen, Kooperationen auf vielen Ebenen, individualisierte Aufgabenstellungen auf vielen Leistungsniveaus, bis zu 25 Kinder in einer Klasse mit und ohne Behinderungen ohne zusätzliche personelle Ressourcen – im Vergleich zum ehemaligen GU mit einer Klassenstärke von 20 Kindern eine unglaubliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, und auch für die Kinder nur schwer aushaltbar und eigentlich unzumutbar!

Unter diesen 25 Kindern sitzen also bis zu 80% Kinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen, behinderte Kinder mit speziellen Bedürfnissen und nun auch schwer traumatisierte geflüchtete Kinder!

Guter Unterricht im herkömmlichen Sinn ist unter solchen Bedingungen nur noch unter erheblichen Abstrichen umzusetzen!

Dass sich für solche Arbeitsbedingungen nur schwer Menschen finden lassen, erstaunt nicht! Viele Grundschullehrkräfte ziehen nach Vorstellungsgesprächen in Frankfurter Grundschulen Stellen im Umland oder in anderen Bundesländern vor, auch die hohen Mieten im Ballungsraum spielen dabei eine Rolle!

Angesichts dieser Gesamtsituation stellen die in Aussicht gestellten Ressourcen aus dem „Schulischen Integrationsplan“ Ihres Hauses kaum spürbare Verbesserungen dar:

Wir brauchen deutlich mehr DaZ-Stunden (Deutsch als Zweitsprache)!

Wir brauchen mehr Ressourcen für Doppelsteckungen in den Intensivklassen! Die Intensivklassen sind zu groß!

Wir brauchen Klassenstärken von höchstens 20 Kindern, in Klassen, die inklusiv arbeiten!

Wir brauchen ausreichend Förderschullehrkräfte für den inklusiven Unterricht!

Wir brauchen – schon, um die jetzige Zuweisung umsetzen zu können – ausreichend Grundschullehrkräfte für den Ballungsraum Frankfurt!

Wir brauchen aus diesem Grund eine attraktive und angemessene Bezahlung der Grundschullehrkräfte – im Ballungsraum unter Umständen auch eine Ballungsraumzulage, um die Mieten finanzieren zu können!

Wir brauchen arbeitsfähige Schulleitungen, – alle Grundschulen brauchen Konrektorenstellen – um die geschilderten Aufgaben im Team meistern zu können!

Wir brauchen endlich eine Besoldungsanhebung für die vollkommen unattraktiven Konrektorenstellen im Grundschulbereich!

Wir brauchen ausreichende Entlastung in Form von Deputaten für die vielfältigen zusätzlichen Aufgaben im Bereich des Kollegiums und der Schulleitungen!

Sehr geehrter Herr Minister, wir bitten Sie eindringlich zu handeln, bevor sich die Situation noch weiter zuspitzt!

Quelle: Epoch Times

Foto: Lars Kaletta/Bongarts

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