Darum artete der Kölner Silvester-Mob so aus

Darum artete der Kölner Silvester-Mob so aus

Die Erkenntnisse des Rechtspsychologen Prof. Dr. Rudolf Egg wurden jetzt dem Untersuchungsausschuss des Landtags zugeleitet.

Professor Egg hat 1022 anonymisierte Anzeigen ausgewertet. Darunter waren 29,6 Prozent Sexualdelikte, 17,2 Prozent kombinierte Diebstahls- und Sexualdelikte. In 46 Prozent der Fälle handelte es sich um reine Raub- oder Diebstahlstaten.

Interessant ist die zeitliche Verteilung der Delikte des Sex-Mobs: So liegt der Schwerpunkt bei den Sexualstraftaten zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Silvesterabends, als die Polizei wegen fehlenden Personals noch gar nicht am Dom präsent war, also zwischen 20.30 Uhr und 23.35 Uhr. Den Höhepunkt bei den Eigentumsdelikten gab es viel später in der Nacht, von 1.20 Uhr bis 6 Uhr morgens.

►Alle Untaten des Sex-Mobs insgesamt wurden zu 72,2 Prozent im Freien verübt, 20,6 Prozent in geschlossenen Räumen, dem Bahnhof also. Die Sexualdelikte spielten sich zu 79,4 Prozent unter freiem Himmel ab, 20,6 Prozent im Bahnhof.

Tragische Erkenntnis für die Kölner Polizei: Die Räumung der Domplatte und Sperrung Bahnhofsvorplatz hatte offensichtlich keinen präventiven Effekt. Aus manchen Anzeigen ergibt sich sogar eine deutliche Verschärfung der Situation und der erlebten Bedrohung.

Bei den Opfern von Eigentumsdelikten handelt es sich in 63,3 Prozent der Fälle um Frauen und um 31,5 Prozent um Männer.
►Die Bedrohlichkeit der Lage stellt Professor Egg durch viele Aussagen der Opfer dar. Auszüge: „Ich fühlte mich nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Gegenstand.“ Und: „So eine Panik und Angst habe ich noch nie gehabt.“, oder: „Es war abartig.“

Ein syrischer Arzt wurde sogar angesprochen, sich an Diebstählen zum Nachteil der „Kufar“ (Ungläubige) zu beteiligen. Die hätten den Krieg in die arabischen Staaten gebracht. Deshalb könne man sie ruhig auch schädigen.

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Alle Straftaten des Sex-Mobs insgesamt wurden zu 72,2 Prozent im Freien verübt, 20,6 Prozent in geschlossenen Räumen, dem Bahnhof also. Die Sexualdelikte spielten sich zu 79,4 Prozent unter freiem Himmel ab, 20,6 Prozent im Bahnhof

► Ein eigentliches Tatmotiv sieht der Rechtspsychologe nicht, sondern „die scheinbar risikolose Beteiligung an Straftaten im Sinne einer sozialen Ansteckung“.

Nur in 10 Prozent der Strafanzeigen gibt es Hinweise darauf, dass die Täter organisiert waren.  

►Der Sachverständige nimmt an, dass die große Zahl der vor dem Kölner Hauptbahnhof versammelten Männer den Beteiligten schon am frühen Abend das sichere Gefühl gab, Teil einer großen und weitgehend anonymen Masse von Menschen zu sein, die keiner großen sozialen Kontrolle unterliegt.

Die Dunkelheit des Silvesterabends dürfte das Gefühl, nicht (genau) erkannt werden zu können, zusätzlich verstärkt haben.

Der Schwerpunkt bei den Sexualstraftaten liegt auf einem eher frühen Zeitpunkt des Silvesterabends, als die Polizei wegen fehlendem Personal noch gar nicht am Dom präsent war – nämlich zwischen 20.30 Uhr und 23.35 Uhr.

Es habe zwar kleinere Gruppen erfahrener Täter aus der „Antänzer“-Szene gegeben. Es sei aber unwahrscheinlich, dass sich Hunderte Männer verabredet haben, um dort geplant Eigentums- und Sexualdelikte zu begehen. Eine solche Verabredung hätte Spuren hinterlassen müssen.

Die Wahrnehmung, dass erste Straftaten Einzelner ohne (nennenswerte) Konsequenzen blieben, ermunterte wahrscheinlich schrittweise mehr und mehr Personen dieser Ansammlung, Ähnliches zu tun. Es entstand eine Art rechtsfreier Raum, ein („anomischer“) Zustand der scheinbaren Regellosigkeit, der den Beteiligten irgendwie alles zu erlauben schien und der auch bewirkte, dass die bei vielen Männern wahrscheinlich durchaus vorhandenen inneren Hemmungen nach und nach abgebaut wurden, weil es – soweit für die Beteiligten erkennbar – eben keine äußere Kontrolle mehr gab.

Und genau das lässt die Kölner Polizei alt aussehen: Denn zur Vermeidung dieses „Sogeffektes“ der Gewalt wäre ein möglichst rasches und frühzeitiges Eingreifen der Polizei und sonstiger Ordnungskräfte erforderlich gewesen. Ebenso eine konsequente Verfolgung der ersten Straftaten.

Marc Lürbke (39, FDP): „Wer geplante Einsatzkräfte gegen bekannte Täterkreise und Gefährdungen mit dem Rotstift zusammenstreicht und nicht gewährt, muss die Verantwortung für die dadurch entstandenen Probleme auch mit übernehmen.“

Er kritisiert vor allem NRW-Innenminister Jäger: „Die Polizei kommt unter seiner Leitung bei den zentralen Problemen nicht vor die Lage, sondern kann gefrustet nur reine Lagebereinigung betreiben. Die Landesregierung muss endlich aufwachen und erkennen, dass die Lagebewertungen und Befürchtungen von Polizeikräften berechtigt sind.“

Quelle: Bild

Foto: dpa

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