Entschädigung statt Gefängnis für Angeklagte

Entschädigung statt Gefängnis für Angeklagte

Zwei Slowaken wurden vom Vorwurf der Entführung freigesprochen. Sie erhalten eine Entschädigung für ihren Haftaufenthalt.

storybildZwei Slowaken mussten sich am Montag wegen Freiheitsberaubung und Entführung vor dem Gericht verantworten. Am Dienstag wurden sie freigesprochen. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

Es sei richtig, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall Anklage erhoben habe, sagte Gerichtspräsident Martin Müller bei der Urteilsverkündigung am Dienstag im Berner Amthaus. Und nicht alles, was die vermeintlich entführte, drogenabhängige Frau 2013 der Polizei und der Staatsanwaltschaft gesagt habe, sei «jenseitig».

Auch sei sicher etwas dran an der Geschichte und dem Gericht bleibe ein ungutes Gefühl zurück. Letztlich bleibe ihm aber nichts anderes übrig, als die beiden Männer nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» freizusprechen. Diese sollten sich aber nichts auf diesen Freispruch einbilden, liess Müller die Übersetzerin den beiden Männern sagen. «Nur sie wissen die Wahrheit und diese müssen sie uns natürlich nicht sagen.»

Einmal das, einmal jenes gesagt

Staatsanwältin Andrea Müller hatte den beiden Slowaken Freiheitsberaubung und Entführung sowie einem der Männer zusätzlich Diebstahl vorgeworfen. Sie fand, die beiden Männer hätten zusammen mit einem dritten Mann das angebliche Opfer im Februar 2013 unter Vortäuschen eines möglichen Goldverkaufs oder eines anderen Geschäfts auf die Berner Schützenmatte gelockt. Dort hatten die drei Männer ihr Auto parkiert.

Auf der Schützenmatte habe einer der drei Männer die Frau ins Auto gestossen. Unter Anwendung von Gewalt hätten die drei die Frau in der Folge daran gehindert, das Auto zu verlassen. In Deisswil bei Münchenbuchsee sei es zu einem Gerangel im Innern des Autos gekommen. In dessen Verlauf sei es der Frau gelungen, einen Moment der Unachtsamkeit auszunutzen, mit dem Fuss die Tür zu öffnen und sich aus dem fahrenden Auto fallen zu lassen. Unachtsam gewesen seien die Männer, weil eine Gruppe Jogger aufgetaucht sei.

Dazu sagte Müller, die Frau habe ausgesagt, sie sei mit dem Kopf zu Boden gedrückt worden. Es erscheine dem Gericht unmöglich, in der beschriebenen Situation mit dem Fuss die Tür des fraglichen Autos zu öffnen. Müller führte auch aus, laut sämtlichen befragten Joggern habe die Frau gesagt, die Männer im Auto hätten sie zu vergewaltigen versucht. Der Polizei habe sie hingegen nichts dergleichen gesagt.

Ihre Aussagen müssten sehr glaubwürdig sein, um gemäss Bundesgerichts-Rechtsprechung den Mangel aufzuwiegen, dass sie weder vom Gericht noch von der Verteidigung mit den Aussagen der Beschuldigten habe konfrontiert werden können. Die Frau verstarb rund ein halbes Jahr nach der fraglichen Autofahrt. Wieso es zur Fahrt nach Deisswil bei Münchenbuchsee kam, bleibt insofern letztlich unklar – laut einem der Angeklagten ging es um die Beschaffung von Drogen.

Weiterer Prozess soll folgen

Die beiden Männer erhalten nun vom Kanton Bern eine Entschädigung und Genugtuung für die je rund hundert Tage Auslieferungs- und Untersuchungshaft, in der sie 2014 und 2015 steckten. Rund 9000 respektive rund 10’000 Franken sprach ihnen das Gericht zu. Staatsanwältin Müller hatte für die beiden eine Freiheitsstrafe von 33 Monaten unbedingt respektive 16 Monaten bedingt gefordert, die beiden Verteidiger wollten den Freispruch.

Am Prozess hätte eigentlich auch der dritte Angeschuldigte teilnehmen sollen. Doch dieser erschien nicht und schickte per Fax ein Arztzeugnis. Das Gericht wird ihn erneut vorladen.

Quelle: http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Entschaedigung-statt-Gefaengnis-fuer-Angeklagte-28963967

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